Sonntag, 24. Mai 2015

Zweiunddreißigster Schritt: Überfluss reduzieren und teilen

Zwei Kisten - 50 Kleidungsstücke
Auf der einen Seite gibt es jene, die zu wenig Geld haben, um sich ausreichend Kleidung zu kaufen, die – auch hier in Deutschland – unter der Armutsgrenze leben, die vor Krieg und Tod flüchten mussten und vieles ihres Besitzes nicht retten konnten, weil sie lieber ihre Familien retten wollten, und auf der anderen Seite solche, deren Kleiderschränke so voll sind, dass sich gleich mehrere Leute wochenlang, ohne Stücke davon waschen zu müssen, sauber einkleiden könnten, die sich den Luxus leisten, Kleidung zu besitzen, die sie monatelang nicht tragen, und zwar nicht, weil der Fleecepulli im Hochsommer nunmal nicht sehr beliebt ist, sondern weil so viel Kleidung auf ihr liegt, dass sie nie die Gelegenheit bekommen, an sie heranzugelangen, die Kleidungsstücke in ihren Schränken aufbewahren, weil es „ja viel zu schade ist, sie wegzugeben“, wohlwissend, dass sie inzwischen ihren Stil gewechselt haben und nie mehr zum alten Stil zurückkehren würden, kurzum: Menschen wie mich. Den Monat Mai hatte ich mir vorgenommen, jeden Samstag 10 Kleidungsstücke auszusortieren, um am Ende 50 Stücke zusammen zu bekommen, die ich der Flüchtlingshilfe geben könnte. Warum der Flüchtlingshilfe? Die Antwort ist einfach: Die Vorstellung, vor Tod, Folter, Vergewaltigung, Verstümmlung, Obdachlosigkeit und dem Verhungern zu fliehen und dann irgendwo zu landen, wo man kein Verständnis und keine Unterstützung erfährt, ist für mich schlichtweg unerträglich. Viele haben das ebenfalls erkannt, und ich möchte meinen Teil beitragen, dass diese Vorstellung nur eine Vorstellung bleibt.

Ein Sechstel befreit: Und nu?
Heute habe ich – den Pfingstsonntag als fünften Samstag nutzend - das fünfzigste Kleidungsstück aussortiert. Vorweg genommen: Es sind alles Kleidungsstücke, die ich noch tragen würde.  Insgesamt kamen 23 T-Shirts, 10 kurzarmige Hemden, fünf Pullover, drei ärmellose Shirts und neun einzelne Teile in die Kisten. Es war aufschlussreich, sich dem Aussortieren zu widmen. Ganz sicher hätte ich noch viel mehr T-Shirts aussortieren können, doch hätte ich nie gedacht, wie viele Geschichten an meinen Kleidungsstücken hängen. Hier das T-Shirt, das an einen Konzertbesuch erinnert, dort eins, das mir ein besonderer Mensch geschenkt hatte, hier eins, das ich mir selbst bedruckt hatte, das deshalb zu persönlich ist, um es wegzugeben, und dazu kommen noch zahlreiche individualisierte Shirts, die ich beispielsweise nur zu Junggesellenabschieden einmalig trug und vermutlich nie wieder tragen werde. Was mache ich damit? Weggeben geht nicht, wegwerfen wäre Verschwendung. Ein Dilemma einerseits, andererseits jedoch eine Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen, ob diese Sitte wirklich noch zeitgemäß ist. Irgendwann hatte ich mal irgendwo gelesen, dass 200 Milliarden T-Shirts jährlich weltweit produziert würden. Bei sieben Milliarden potentiellen T-Shirt-Trägern auf dem Planeten, von denen ein nicht unerheblicher Teil in seinem Leben nie ein T-Shirt sehen wird, sollte das zum Überdenken des eigenen Konsums anregen. Von dieser unvorstellbaren Menge sind potentiell 60 Milliarden Stück aus Baumwolle, was neben der Frage der Notwendigkeit einer solchen Produktionsmenge auch soziale und besonders ökologische Fragen aufwirft, die ich mit selbst nur wie folgt beantworten kann:  Neue Kleidung nur dann, wenn nötig, - eher eins aus Recycling-Polyester? - und in meinem Fall werde ich wohl noch einige Jahre brauchen, bis ich zumindest ein neues T-Shirt brauche; die Zeit brauche ich allerdings noch immer, um an die ganz unten im Stapel ranzukommen. Pfingstmontag nutze ich für die Beantwortung folgender Frage: Was mache ich mit meinem leeren Schrank?

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