Montag, 23. Oktober 2017

Vierundsiebzigster Schritt: Die Waschkraft der Natur nutzen

Rosskastanien für ca. ein Jahr Single-Haushaltswäsche
Es ist Herbst. Die Blätter verfärben sich und alles um sie herum in bunte Töne: Herbstfarben - ein Begriff der gerne auch von der Bekleidungsindustrie aufgenommen wird und damit eine tolle Überleitung zu meinem Thema ist. Mein täglicher Weg zum Bahnhof führt mich an einem Kastanienbaum vorbei, genau genommen an einer unechten, nämlich einer Rosskastanie. Sie ist mit den Esskastanien nicht verwandt. Das stellt allerdings auch kein Problem dar, denn Essen steht nicht auf dem Programm, sondern eher Essensreste aus Kleidungsstücken zu bekommen - gerne auch aus solchen in Herbstfarben.

Gevierteilte Kastanien
Nachdem ich also eine Woche lang täglich an den von der Baumbesitzerin freundlicherweise am Straßenrand zu kleinen Haufen angesammelten Rosskastanien vorbeigeschlendert war und mich entsann, wie ich als Kind allerlei Figuren mittels hölzerner Zahnstochern gebastelt hatte, erinnerte ich mich glücklicherweise auch daran, dass die Rosskastanie zu den Seifenbaumgewächsen gehört, einer Pflanzengattung, die über Saponine verfügt, die eine seifenähnliche Wirkung haben. Ganz ähnlich also wie bei den Waschnüssen, die in Indien Verwendung finden und gerade von der ärmeren Bevölkerung genutzt werden, um Wäsche zu waschen. Leider führt der hiesige Wunsch, ökologischer zu waschen, zu einem stärkeren Export der Nüsse und zu einer Verteuerung für indische Endabnehmer, die dann chemische Waschmittel einsetzen. In Anbetracht der oftmals fehlenden Kläranlagen ist diese Entwicklung in Indien vermutlich deutlich verheerender, als wenn wir in Deutschland weiterhin mit Chemie waschen würden. Von daher ist die heimische Rosskastanie sicherlich auch global betrachtet die cleverere Alternative.

Geschrotete Rosskastanien zum Trocknen
Ich habe jedenfalls zwei Papiertüten davon gesammelt. Zuhause angekommen habe ich zahlreiche davon mit einem Messer zerkleinert und dann im Mixer geschrotet. Auf dem Backblech habe ich sie eine Woche unter täglichem Wenden an der Luft getrocknet. Nunmehr warten sie in einem Schraubglas auf die nächste Waschmittelproduktion, die wie folgt aussah: Natürlich wollte ich wissen, welches der zahlreichen im Internet zu findenden Rezepte, das bessere Ergebnis bringt. Für das eine Experiment habe ich fünf Kastanien geviertelt und über Nacht in 300 ml Wasser eingeweicht - für das zweite drei Esslössel der geschroteten Kastanien in derselben mensche Wasser. Beide Flüssigkeiten wurden milchig, das Wasser der geschroteten deutlich schneller und intensiver. Als ich beide Behältnisse nach Ende der Einweichzeit schüttelte,
bildete sich sofort Schaum auf der Oberfläche, der an Seifenschaum erinnerte. Bei Experiment zwei bildete sich ca. die doppelte Menge an Schaum. Am Morgen hatte ich die festen Bestandteile dann abgeseiht bzw. durch ein Nusssieb abgetrennt.

Links hinten eingeweichte Kastanien
Rechts vorne fertiges Waschmittel
Tags darauf habe ich beide Flüssigwaschmittel mit zwei Wäscheladungen bei 40 Grad Celsius getestet. Im Ergebnis konnte ich mit dem Auge keinen Unterschied in der Sauberkeit feststellen - sauber waren beide Wäschen. Ich bin sehr zufrieden. Die Wäsche ist weich, optisch sauber und geruchsneutral. Auch nach dem Tragen der so gewaschenen Kleidungsstücke, kann ich nicht sagen, dass ich einen Unterschied zu der herkömmlich gewaschenen Kleidung feststellen kann. Schwere Verschmutzungen werden vermutlich nicht beseitigt, wie in den verschiedenen Test auf anderen Blogs zu lesen ist. Für die einfache Wäsche werde ich es jedenfalls beibehalten. Für die nächste Wäsche habe ich die genutzten Kastanien ein zweites mal eingeweicht, das abgeseihte Wasser jedoch zehn Minuten auf 70 Grad Celsius erhitzt und in eine abgekochte Flasche abgefüllt. So kann sich kein Schimmel bilden, und mein Flüssigwaschmittel wartet geduldig auf die nächste Wäscheladung.

Natürlich darf das Vorher-Nachher-Bild, das jeden ökologischen Hausmann davon überzeugt, künftig kein Waschmittel mehr zu kaufen, nicht fehlen. Ergänzen möchte ich noch, dass die grauen Stellen keine ergrauten, vormals weißen Stellen sind, sondern ein Schatten, der sich heimlich dazwischen geschlichen hat, als ich den Auslöser betätigte. Vermutlich ist es der Schatten Saurons - oder wie hieß nochmal dieser Waschmittelhersteller, den das Ergebnis verärgern könnte :)

Socken, weiß - Links nach, rechts vor der Wäsche

Neues Buch im Handel Die Wetterau - Fantastische Landschaften

Heute haben wir unser neues Buch vorstellt: Die Wetterau - fantastische Landschaften, und der neue Landbote hat unmittelbar berichtet. Das ist fix.

http://landbote.info/wetterau/#more-8427

Montag, 16. Oktober 2017

Solo zu Gast beim Wein- und Kulturverein Wöllstadt

Mit 20 Minuten Slam-Poetry war ich Samstagabend zu Gast beim Wein- und Kulturverein Wöllstadt. An meiner Seite u. a. die formidablen Menschen des Fast Forward Theatre. Ein tolles Publikum!



Sonntag, 15. Oktober 2017

Waschmittellasagne

Amylase, Lipase, Protease, Tetraacetylethylendiamin, Natriumsilikat, Natriumaluminiumsilikat, Natriumcarbonat, Polycarboxylate, Polyvinylpyrrolidon, Tenside. Die eine oder der andere mag sich jetzt sicher sein, dass es sich um Zutaten eines Fertiggerichts des unteren Qualitäts- und Preissegments handelt, auf dem für gewöhnlich Hinweise zu lesen sind wie: „Achtung! Kann Spuren von landwirtschaftlichen Erzeugnissen enthalten. Verwechselungen mit natürlichen Nahrungsmitteln sind rein zufällig!“, doch weit gefehlt. Tatsächlich sind es die üblichen Inhaltsstoffe von Waschmitteln: Enzyme, um Nahrungsmittelreste aus der Wäsche lösen, Bleichmittelaktivatoren, Reinigungskraftverstärker, Wasserenthärter, Vergrauungs- und Verfärbungsinhibitoren, Weichmacher, Desinfektions- und Konservierungsmittel. Hört sich an, als hätten die Ägypter damit einst Pharaonen haltbar gemacht. Nicht alles davon ist daher auch unbedenklich. Manches ist toxisch, anderes biologisch nicht abbaubar. Rund 700.000 Tonnen Waschmittel verbrauchen wir jährlich in der Republik. Waschmittel, das nach der Wäsche im Abwasser landet und teils über die Kläranlagen in den Klärschlamm gelangt. Der wiederum landet auf unseren Äckern, da er auch eine ganze Reihe wertvoller Pflanzennährstoffe enthält, insbesondere das immer knapper werdende Phosphor, was die Verwendung als Dünger durchaus sinnvoll macht. Andererseits enthält er eben auch anorganische Anteile, beispielsweise nicht abbaubare Tenside und Polymere aus Waschmitteln, die so ebenfalls auf die Felder und in die Pflanzen gelangen. Es ist also leider nicht ganz abwegig, die oben genannten Stoffe auf der Zutatenliste von Nahrungsmitteln zu finden. Müssen all die Stoffe sein? Vermutlich schon. Das Waschmittel soll ja alles sauber bekommen. Also sind Fettlöser enthalten, auch wenn ich nicht einen Spritzer auf dem Hemd habe, Wasserenthärter, selbst wenn der PH-Wert des Wassers in Ordnung ist, und so viele Tenside, dass selbst die dreckigste Wäsche sauber wird. Niedriger zu dosieren, mag eine Lösung sein. Eine andere, es vielleicht mit einer ökologischen Alternative zu versuchen. Vom Verzicht auf Waschmittel rate ich übrigens an dieser Stelle ab. Den Versuch hatte ich schon. Das ist ein wenig wie Suppe mit einer Gabel zu essen. Es sieht aus, als äße man, es wird aber niemand satt. Alternativen gibt es tatsächlich: Efeu und Rosskastanien. Kein Spaß! Das funktioniert. Einfach drei Rosskastanien aufsammeln, zerkleinern, ein paar Stunden in Wasser einweichen und das gefilterte Wasser als Flüssigwaschmittel nutzen. Gleiches gilt für Efeu. Zwei Handvoll zerkleinern und mit heißem Wasser übergießen. Nach ein paar Stunden kann man auch jenes abgeseihte Wasser zur Reinigung normal verschmutzter Wäsche in der Maschine nutzen. Wer sich überzeugen will: Auf meinem Blog habe ich meine weißen Socken fotografiert. Ein beweiskräftiges Vorher-/Nachherfoto, das keine Fragen offen lässt. Die zwei Papiertüten Kastanien, die ich am Straßenrand gesammelt habe, reichen wohl bis zum nächsten Herbst, und, falls nicht, bleibt mir das Efeu. Sollte ich tatsächlich dann doch einmal Blutanhaftungen auf dem Hemd haben, weil ich beispielsweise bei der Efeu-Ernte von der Leiter gefallen bin, kann ich ja ausnahmsweise auf ein protease-haltiges Waschmittel zurückgreifen. Bis dahin habe ich jede Menge Klärschlamm nicht belastet, muss meine Waschmittelreste nicht essen, habe einen Haufen Umverpackung eingespart, und auch der Pharao bleibt noch ein paar Jahre länger frisch.

Donnerstag, 5. Oktober 2017

¡Ay, ay, ay, no me gusta!

Das sagt der Bienenmann in der Zeichentrickserie “The Simpsons”, und ich muss ihm zustimmen. Ich weiß zwar nicht, ob es dasselbe ist, was ihm nicht gefällt, aber wenn ich Ziel und Wirkung des Bepflanzens meiner Dachterrasse vergleiche, kann ich nur zum selben Ergebnis kommen wie er. Ich hatte mir eine Schmetterlingswiese-Saat-Mischung geholt, zwei wundervolle Lavendel hatte ich in Töpfen zu herrlicher Pracht gebracht. Ich saß den gesamten Sommer in einem Meer unzähliger bunter Blüten und wartete. Ich warte und warte, las noch einmal auf der Rückseite der Saatgut-Verpackung: „Schmetterlingswiese“. Ich hatte mich nicht verlesen. Mein Blick schwenkte unzählige Male zum Lavendel. Bald wurde ich auch mit ihm skeptisch und prüfte im Gartenbuch nach. Ja, auch da stand: „Zieht Schmetterlinge und Bienen an“. Vielleicht, dachte ich mir, ist der Weg zu weit. Immerhin wohne ich ja mitten in Friedberg. Bestimmt sind die Schmetterlinge und Bienen Berufspendler. Wer kann sich denn als Arbeiterbiene überhaupt noch bezahlbaren und angemessenen Wohnraum in der Stadt leisten!, dachte ich mir. Bestimmt wohnen die am Ortsrand, und ein Pendeln zwischen dort und hier ist unwirtschaftlich. Immerhin wollen die ja auch mal Feierabend haben und zuhause die neuen Folgen der Biene Maya schauen. Also habe ich ein Insektenhotel angebracht. Mietfrei sogar! Ich möchte mich ja nicht an ihnen bereichern, und eine Gentrifizierung möchte ich tunlichst vermeiden. Das passiert anderenorts oft genug. Ich wartete erneut. Dann kamen sie. Schwarz-Gelb gestreift ließen sie sich zu Hauf auf dem Lavendel nieder: Wespen! Ich schaute wieder in mein Gartenbuch. „Lavendel hält Wespen fern“, steht da. Ich hielt die betreffende Seite den Wespen entgegen. Eine sah ich mit den Schultern zucken. Ein paar Hummeln flogen vorbei, nickten mir zu und schienen sich gestisch für die ungebildeten Wespen zu entschuldigen, bevor auch sie sich über die Blüten hermachten. Von Schmetterlingen und Bienen war weiter nichts zu sehen. „Jetzt komm schon, Willi!“, wünschte ich mir, Biene Maya sprechen zu hören. Der Sommer ist jetzt endgültig zuende. Statt der Bienen wohnen Wespen im Hotel. Immerhin! Warum das so ist, steht leider fest. Eine Forschergruppe am Zentrum für Ökologie und Hydrologie im britischen Wallingford hat bereits im letzten Jahr den Zusammenhang zwischen Neonikontinoiden, also einem Pestizid, und dem Wildbienensterben festgestellt. Dass es inzwischen so weit gekommen ist, fiel mir erst diesen Sommer richtig auf. Irgendwie sehne ich mich sogar der Zeiten zurück, als die Windschutzscheibe meines Autos ein Insektenfriedhof war. Immerhin bedeutete das, dass es welche in der Luft gegeben hatte. Geplagt von Visionen – meinem Enkel werde ich erklären müssen, was eine Biene ist, nie wird er morgens mit Vogelgezwitscher erwachen können, denn ein Großteil der Populationen wird schlichtweg nicht mehr genug Nahrung finden, und als Erwachsener wird er den Beruf des Blütenbestäubers annehmen müssen – suche ich nach Biene-Maja-Folgen im Internet und esse dabei ein Bio-Marmeladenbrot. Mehr aus ökologischem Landbau zu essen, ist der einzige Weg für uns. Ja, es ist etwas teurer. Viel teurer wird es jedoch für unsere noch ungeborenen Nachkommen, wenn wir es nicht tun. „In einem unbekannten Land…“, beginnt Karel Gott währenddessen zu trällern. Ich hoffe nicht, denke ich, und ein Schmetterling auf dem Weg zum Winterquartier fliegt an meinem Wohnzimmerfenster vorbei. Nicht die Bienen, die Hoffnung stirbt zuletzt.